Tobias Fröhlich, Geschäftsführer von TeraVolt, erklärt, warum „Datatainment“ die Zukunft der Sportübertragung im linearen Fernsehen ist und warum Sender und Plattformen diese neue Art von Fernsehen im Auge behalten sollten.
So wie Dinosaurier vor Millionen von Jahren unseren Planeten beherrschten, dominiert das lineare Fernsehen seit Jahrzehnten die Welt der bewegten Bilder. Doch eine neue Spezies hat ihre Vormachtstellung längst in Frage gestellt: digitale Streaming-Plattformen, die ihren Zuschauern zu jeder Tageszeit Inhalte auf Abruf anbieten und personalisierte Betrachtungsempfehlungen. Also, ist das lineare Fernsehen dem Untergang geweiht und es wird aussterben wie einst die Dinosaurier?
Eines ist sicher: Je mehr Menschen digitalisieren, desto weniger Geduld müssen sie auf relevante Inhalte warten oder aktiv danach suchen. Gleichzeitig steigt die Menge an Informationen, Affirmationen und Reizen. Das lineare Fernsehen muss sich daher weiterentwickeln, um für die digitale Generation attraktiv zu bleiben. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist „Hybrid Broadcast Broadband TV“ (HbbTV), also die Mischung von linearem Fernsehen und Online-Inhalten. Beispiele sind BBC, France Télévision und das ZDF.
Aber in Zeiten, in denen fast jeder Nutzer einen digitalen Fußabdruck hinterlässt, reicht dies nicht mehr aus. Stattdessen müssen die Inhalte personalisiert und auf das Publikum zugeschnitten werden. So können sie genau die Art von Inhalten erhalten, die sie benötigen, basierend auf ihren Daten und Sehgewohnheiten: „Datatainment“ statt Unterhaltung.
Genau das will TeraVolt erreichen. Sportveranstaltungen sind aus unserer Sicht prädestiniert für diese neue Art der TV-Unterhaltung. Ob Weltmeisterschaft, Olympische Spiele oder Super Bowl – Sport ist ein Schauspiel. Solche Sportereignisse wecken die Begeisterung. Sie führen aber oft auch zu einer Überreizung. So viel geschieht gleichzeitig und nur eine Millisekunde kann entscheidend sein. Die Anzahl der Live-Übertragungen von Sportereignissen ist eine echte Überlastung. Auf verschiedenen Plattformen kann fast alles live miterlebt werden. Für jede Sportart gibt es einen Stream, ein TV-Format oder einen Live-Ticker. Einige Zuschauer können davon überwältigt sein. Sie brauchen Orientierung, Filterung nach persönlicher Relevanz und Anleitung: Sie wollen ihren Lieblingsathleten in ihrer Lieblingssportart folgen und erhalten bestenfalls zusätzliche Informationen und Statistiken – und das alles bestenfalls ohne selbst aktiv zu sein. Im Zweifelsfall kann mit einem Videoalarm auf eine entscheidende Szene aufmerksam gemacht werden und mit einem persönlichen Highlight-Ticker kann dann schnell erfasst werden, was bisher passiert ist.
Das ist genau die Idee, die wir verfolgen. Derzeit entwickeln wir eine TV-App, die den Fernsehzuschauern das oben beschriebene „Datatainment“ bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio bietet. Es wird sowohl für HbbTV, Metrological, AndroidTV als auch für mobile Clients verfügbar sein. Die Nationalität des Betrachters oder seine Vorlieben für den Sport werden dann einen entscheidenden Einfluss darauf haben, welche Programmempfehlungen er erhält und auf welchen Athleten der Schwerpunkt liegt.
Ein Radsportfan aus Schweden zum Beispiel sieht nicht nur ein Radrennen. Stattdessen liegt der Fokus auf der schwedischen Radfahrerin Jenny Rissveds. Ein ausklappbarer Live-Ticker gibt genaue Auskunft über den bisherigen Verlauf des Rennens. Und wenn gleichzeitig ein weiterer für ihn relevanter Wettbewerb beginnt, lenkt nicht nur eine Erinnerung seine Aufmerksamkeit darauf, sondern der Betrachter kann über eine Bild-in-Bild-Funktion auch einen zweiten Livestream einschalten. Zum Beispiel kämpft ein anderer Schwede bei einer Tontaubenschießerei um Silber. Der Betrachter wechselt zur Entscheidung und kann sehr schnell die bisher zwei bis drei wichtigsten Versuche der Gegner sehen, zu verstehen, was jetzt erreicht werden muss. Das Radfahren bleibt immer im Blick.
Der Zuschauer kann in den Sport so viel tiefer einsteigen, als es bisher möglich war. Der Fernsehbildschirm verwandelt sich in eine Art XXL-Smartphone. Alle Daten, Statistiken und Zwischenergebnisse anderer Wettbewerbe können zusätzlich auf dem Live-Bildschirm abgerufen werden. Die Informationen, die der Benutzer bisher auf dem Smartphone als zweiter Bildschirm aufgerufen hat, sind dann gebündelt auf ein und demselben Bildschirm zu sehen. Alle Nachteile, die das lineare Fernsehen für den Zuschauer unflexibel und überflüssig macht, können so beseitigt werden.
Dadurch entsteht eine Win-Win-Situation. Der Zuschauer erhält die für ihn interessanten Inhalte wie Highlights, Statistiken und personalisierte Programmvorschläge, und der Sender kann so seine Zuschauer glücklich und loyal halten. Um diesen Effekt zu nutzen, müssen große Sender und Plattformen die Entwicklung des linearen Fernsehens von der reinen Unterhaltung hin zum „Datatainment“ vorantreiben.
Der Dinosaurier unter den audiovisuellen Medien kann der natürlichen Auswahl des Marktes und damit seinem Aussterben sehr wohl entgehen. Sie muss sich nur ständig an die sich ändernden Bedingungen anpassen. Abschließend ein Zitat des britischen Naturforschers Charles Darwin: „Die natürliche Selektion sorgt dafür, dass die Stärksten oder die Anpassungsfähigsten immer überleben.“
Wir können den etablierten Spielern helfen, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.